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Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie (Zusammenfassung)

Die Ökonomin Kate Raworth bietet mit ihrem Ansatz der Donut-Ökonomie (engl.: Doughnut Economics) ein neues und zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell an, welches der Menschheit ermöglicht, zu gedeihen und „ein florierendes Gleichgewicht herzustellen“. So lassen sich die Herausforderungen der aktuellen Zeit meistern: Klimawandel, soziale Ungleichheit, eine stark wachsende Weltbevölkerung mit der verbundenen Nahrungsmittelverteilung und viele Probleme mehr.

Eine gesunde Wirtschaft sollte so gestaltet werden, dass sie gedeiht und nicht wächst

Kate Raworth (geb. 1970) ist eine britische Wirtschaftswissenschaftlerin und hat sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einem Wirtschaftsmodell beschäftigt, welches den Planeten schont und der Menschheit in Gänze dient. In ihrem TED Talk fasst sie ihre Überlegungen zusammen.

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Die alte Wirtschaftslehre und die Herausforderungen von morgen

Die aktuell vorherrschende und praktizierte Wirtschaftslehre stellt mit sieben wesentlichen Annahmen seit über 150 Jahren die Rahmenbedingungen für gesellschaftliche und politische Entscheidungen bereit. Diese Annahmen der klassischen Wirtschaftslehre seien, so Raworth:

  1. Unendliches Wachstum als Ziel des wirtschaftlichen Handelns
  2. Ein geschlossener Wirtschaftskreislauf mit wenigen Akteuren (Haushalte, Unternehmen, Banken, Regierungen und Handel)
  3. Der rationale Mensche (Homo Oeconomicus), der alle Entscheidungen rational und bei voller Kenntnis aller verfügbaren Informationen trifft.
  4. Ein System mit einem mechanischen Gleichgewicht aus Nachfrage und Angebot gleich einem physikalischem Naturgesetz
  5. Die Annahme, dass mit steigendem Einkommen pro Einwohner auch die Ungleichheiten beseitigt würden. Je höher das BIP eines Landes, desto mehr profitieren davon auch alle Einwohner.
  6. Die Annahme, mit Wachstum käme auch der Umweltschutz. Wenn erst einmal genügend wirtschaftlicher Wohlstand verfügbar wäre, würden auch saubere Herstell- und Verbrauchsverfahren dominieren.
  7. Letztlich gehen die herrschenden Wirtschaftstheorien von einem notwendigen permanenten Wachstum aus. Doch was bedeutet andauerndes Wachstum in der (nahen und fernen) Zukunft?

Die alten Wirtschaftsannahmen sind überholt

Diese wirtschaftlichen Lehren der Vergangenheit passen – so Raworth – nicht zu den gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen der heutigen Zeit. Stattdessen wird die Menschheit des 21. Jahrhunderts mit Wirtschaftstheorien aus Büchern von 1950 „versorgt“, die wiederum ihren Ursprung um 1850 herum haben. In der Folge wären die sieben alten „Dogmen“ nicht mehr geeignet, die Herausforderungen der heutigen Welt zu lösen. Es sei also Zeit, ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln – die Donut Ökonomie.

Die Donut Ökonomie im Überblick

Der Donut der Donut-Ökonomie. Planetare Grenzen und das soziale Fundament.
Die Donut Ökonomie – das soziale Fundament und die ökologische Decke definieren den sicheren Raum für die Menschheit. (eigene Darstellung)

Der Ring des Donuts

Der Ring des Donuts ist der Bereich, in dem die Menschen gedeihen und wohlbefindlich leben können („the safe and just space for humanity“). Also sozusagen die Komfortzone. Die innere Grenze bildet das soziale Fundament, auf dem stabile Gesellschaften fußen. Wenn diese Bereiche Mängel aufweisen, könne die gesellschaftliche und soziale Stabilität auf Dauer nicht gewährleistet sein. Raworth definiert hier zwölf Bereiche, die zum sozialen Fundament gehören (in Anlehnung an die „UN sustainable development goals„):

  1. Zugang zu Wasser
  2. Ausreichend Nahrungsmitteln
  3. Zugang zu Energie
  4. Ein auskömmliches zu Hause (Behausung)
  5. Funktionierende Gesundheitssysteme
  6. Ausbildung und Weiterbildung
  7. Einkommen und Arbeit
  8. Frieden und Gerechtigkeit
  9. Politische Einflussmöglichkeiten
  10. Soziale Gleichheit / Gleichberechtigung
  11. Geschlechtergerechtigkeit
  12. Funktionierende Netzwerke

Die natürlichen Ressourcen unseres Planeten

Auf der Außenseite des Donuts stellt Raworth die ökologischen Grenzen unseres Planeten dar. Wenn die Menschheit oder einzelne Staaten diese Grenzen dauerhaft überschreiten, ist das Gesamtsystem Erde und damit die menschliche Existenzgrundlage in Gefahr. Diese Gefahren bestehen aus:

  • Klimawandel
  • Ozeanübersäuerung
  • chemische Verschmutzung
  • Stickstoff- und Phosphorbelastung
  • Süßwasserentnahme
  • Bodenumwandlung
  • Verlust der biologischen Vielfalt
  • Luftverschmutzung
  • Abbau der Ozonschicht

Das Ziel des Donuts ist somit definiert: Die Menschheit muss sich im Ring des Donuts befinden, um nachhaltig leben zu können. Daher kommt die Bezeichnung „Donut-Ökonomie“.

Kate Raworth bietet nun für jede klassische Wirtschaftsaussage eine zukunftsfähige Alternative an, die im folgenden vorgestellt werden.

1. Vom unendlichen BIP-Wachstum zum Gleichgewicht im Donut

Das von der vorherrschenden Wirtschaftslehre formulierte Ziel ist ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Dieses Wachstumsziel wird von der Politik vieler Länder aufgegriffen und in entsprechende Wirtschaftspolitik übersetzt. So heißt es z.B. für die deutsche Wirtschaftspolitik:

die v. a. durch das Stabilitätsgesetz vorgegebenen Ziele: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Diese Ziele werden auch als magisches Viereck (siehe dort) bezeichnet. 

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Oft wird in diesem Zusammenhang auch von „nachhaltigem Wirtschaftswachstum“ als Ziel gesprochen. Wobei „nachhaltig“ hier als „anhaltend erfolgreich“ und nicht als „umweltverträglich“ zu verstehen ist.Jedoch ist ein andauerndes Wirtschaftswachstum nach Kate Raworth das Kuckucksei im eigenen Nest: Es wird – weil als Ziel formuliert – zum Selbstzweck. Doch ist andauerndes Wachstum ein erstrebenswertes Ziel? Ist dieses Ziel auf Dauer überhaupt zu erreichen bzw. durchzuhalten? Und hilft dauerhaftes Wachstum der Menschheit auskömmlich zu leben oder sind es andere Dinge, die Vorrang haben sollten?

Das klassische Wachstumsziel neoliberaler Wirtschaftstheorien. Wo soll das Wachstum – zumal exponentiell – eigentlich enden?

Ein jährliches Wachstum von 2% bedeutet am Ende ein exponentielles Wachstum. Viele Menschen können sich solche Exponentialfunktionen erst seit der Corona-Pandemie vorstellen und die Bedeutung ermessen. Wenn man diese Folgen bedenkt, sollte vielen Menschen klar werden, dass ein exponentielles Wachstum mit den begrenzten Ressourcen der Erde überhaupt nicht vereinbar sein kann.

Vom Wachstum zum Gedeihen

Kate Raworth stellt fest, dass dieses Wachstumsziel den Menschen in vielen Lebensbereichen gar nicht diene, sondern mittlerweile mitunter sogar schädlich sei: Trotz (oder wegen?) permanenten Wachstums gäbe es mehr Umweltverschmutzung als zuvor, immer noch seien viele Menschen von Grundrechten wie z.B. freier Meinungsäußerung oder Zugang zu sauberem Trinkwasser oder Energie weit entfernt. Die planetarische Obergrenze an Umweltzerstörung wird in vielen Dimensionen bereits jetzt überschritten.

Deshalb stellt Raworth eine andere Zielsetzung der Wirtschaft in den Mittelpunkt der Donut-Ökonomie: Wie kann Wirtschaft zum Gedeihen der Menschen beitragen? Wie kann sie in die Gesellschaft eingebettet werden? Die Donut-Ökonomie entwickelt das Ziel „Gut“ ist gleichbedeutend mit „im Gleichgewicht zu sein“ anstatt des alten Ziels „Gut = vorwärts und aufwärts (im Wachstum)“. Dieses Ziel kann auf allen Ebenen der Gesellschaft wirken: im persönlichen Lebensstil, als Unternehmensstrategie und auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.

2. Wirtschaft als Teil eines Gesamtsystems

In zahlreichen Wirtschaftsbüchern wird das Wirtschaftssystem als makroökonomischer Kreislauf dargestellt. Die Teilnehmer dieses Wirtschaftskreislaufes sind überschaubar: Haushalte, Unternehmen, Banken, der Staat und Handel. Dieser Kreislauf wird als geschlossenes System dargestellt und stand lange Zeit als Gegenentwurf zu den totalitären Strömungen der damaligen Zeit (z.B. der Kommunismus in der Sowjetunion). Das Modell war also durch die politische Zeit geprägt und setzte sich über die Jahrzehnte durch die Politik getrieben weiter fort. Insbesondere zu Zeiten von Reagan und Thatcher erhielt dieses makroökonomische Modell eine große Beliebtheit.Diese Kreislaufdarstellung hat allerdings Schwächen, die aktuell zum Vorschein kommen:

  • Es fehlen relevante Teilnehmer und Aspekte (z.B. natürliche Ressourcen, Energie oder auch private, gemeinnützige Initiativen bzw. die unentgeltliche Arbeit in den Haushalten oder Kooperationen)
  • Das makroökonomische Modell beschränkt sich auf den Geld- und Warenfluss. Andere Aspekte wie Energie- und Ressourcen-Input oder Abfall-Output werden überhaupt nicht betrachtet. Diese Aspekte sind jedoch für drängende Herausforderungen wie den Klimawandel in hohem Maße verantwortlich und bedürfen daher der Aufmerksamkeit in einer Systembetrachtung.

Das klassische Wirtschaftsmodell ist gekapselt

In der klassischen Wirtschaftstheorie steht die Wirtschaftsbeziehung von Haushalten zu Unternehmen im Zentrum der Betrachtungen. Haushalte stellen den Unternehmen Arbeitskraft und Kapital zur Verfügung und Unternehmen verkaufen den Haushalten Waren und Dienstleistungen. Diese Beziehung wird oft in einem Kreislaufdiagramm dargestellt. Dieser Kreislauf wird – je nach Darstellung- noch um Banken, den Staat und den (Außen-)handel erweitert. Aus diesen Teilnehmern der klassischen Wirtschaftstheorie hat sich ein übliches Bild ergeben.

Der klassische Wirtschaftskreislauf
Der klassische Wirtschaftskreislauf besteht aus privaten Haushalten, Unternehmen, dem Staat, Banken.

Fehlende Marktteilnehmer im alten Wirtschaftsmodell

In dieser klassischen Kreislaufdarstellung fehlen relevante Einflussgrößen, die für ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaften unerlässlich sind. Diese Einflüsse sind mitunter so erheblich, dass sie auf jeden Fall berücksichtigt gehören. Dazu zählen unter anderem:

  • Die unentgeltlich erbrachte Arbeitsleistung der privaten Haushalte. Nur wenn die Arbeitskräfte auch frisch und ausgeruht zur Arbeit kommen, können sie den Unternehmen ihre Arbeitskraft „verkaufen“. Doch das ist nur möglich, weil es viele „Dienstleistungen“ im Haushalt gibt, die unentgeltlich erbracht werden. Dies wird im alten Modell nicht berücksichtigt. Es gibt Berechnungen, nach denen diese „unentgeltlichen“ Leistungen wie Kindererziehung, Haushaltsführung (wie z.B. Nahrung zubereiten, Wäsche waschen) usw. einen jährlichen Wert von ca. $120.000 pro Person haben, würde man diese Leistungen einkaufen.
  • Der Planet Erde, der Ressourcen für den Wirtschaftskreislauf bereitstellt und im alten Bild keinen Stellenwert hat. Ressourcen, die nicht oder nicht ausreichend bepreist sind, sind z.B. saubere Luft, gesunde Böden, CO2-Emissionen usw. Im alten, vorherrschenden Modell wird implizit angenommen, dass die Ressourcen der Erde unerschöpflich und gratis verfügbar seien. Welch ein Irrtum!
  • Das Gemeinwesen, welches aus sich heraus kreative Leistungen entwickelt, die in der klassischen Wirtschaftstheorie nicht auftauchen. Dazu zählen z.B. Sportvereine, gemeinnützige Organisationen, Nachbarschaftshilfe, Kultur usw. Also all das, was nicht monetär bewertet werden kann, jedoch das Leben erst lebenswert macht und zum Funktionieren einer Gesellschaft beiträgt.

Wirtschaft ist eingebettet in die Öko- und Sozialsysteme

In der Donut-Ökonomie wird das ökonomische Modell um die oben genannten Marktteilnehmer erweitert. Dabei werden auch die jeweiligen „Eigenschaften“ dieser Einflussgrößen berücksichtigt. Die Erde beispielsweise dient auf der einen Seite als Rohstoffgeber, auf der anderen Seite jedoch auch als „Speicher“ für den Abfall, den wir produzieren.Das Gemeinwesen ist ein weiterer Teilnehmer in einem eingebetteten Wirtschaftssystem. Viele Aktivitäten, die dem Menschen Wohlbefinden geben, sind selbstorganisiert und auf freiwilliger Basis. Die digitale Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat dieser Form von Zusammenarbeit zu großer Bekanntheit verholfen: Open Source Software und Wissensdatenbanken (z.B. Wikipedia), freie Online-Kurse zur Weiterbildung oder dezentrale Herstellprozesse (z.B. 3D-Druck) sind gute Beispiele für die „Wirtschaftsleistung“ des Allgemeinwesens.Kate Raworth zeichnet aus diesen Erkenntnissen ein neues Bild der „eingebetteten Wirtschaft“, in der die alten „Spieler“ mit den neuen „Teilnehmern“ anders interagieren, um zukünftig das Wohlbefinden aller Menschen zu steigern. Wirtschaft ist kein geschlossenes System mehr, sondern eingebettet in den größeren Kontext.

eingebettete Ökonomie der Donut-Ökonomie
Die Wirtschaft ist eingebettet in die Gesellschaft und die Rahmenbedingungen unseres Planeten.
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