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Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie (Zusammenfassung)

6. Auf Regeneration zielen

Wirtschaftliches Handeln und die Produktion von Waren und Gütern erzeugen Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch. Die bisherige Annahme geht davon aus, dass Wachstum zu ökologischerer Wirtschaft führt. Der Klimawandel und immer stärker auftretende Umweltprobleme stellen diese Annahme in Frage. Kate Raworth schlägt daher vor, das Wirtschaftssystem von Anfang an auf Regeneration auszurichten.

Die alte These: Wachstum sorge für weniger Umweltverschmutzung

In der klassischen Wirtschaftstheorie gilt bisher: Mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen einer Gesellschaft steige zunächst auch die Verschmutzung und der Ressourcenverbrauch an, um dann mit weiter steigendem finanziellen Wohlstand wieder abzunehmen. Die Begründung für diese Annahme lautet, dass arme Volkswirtschaften zu arm für Umweltschutz seien und erst mit steigendem BIP die finanziellen Mittel für ökologisches Handeln verfügbar wären. Durch den steigenden Wohlstand – so der vorherrschende Mythos – würden die Umweltschäden schon wieder repariert werden.Die unten gezeigte Umwelt-Kuznets-Kurve kommt aus einer Berechnung der US-Ökonomen Gene Grossman und Alan Krueger in den 1990er Jahren. Die beiden Ökonomen werteten die Daten von ca. 40 Ländern aus und stellten fest, dass mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen die lokale Wasser- und Luftverschmutzung abnahm.

Die Umwelt-Kuznets-Kurve: Wachstum sorgt für Ökologie – wirklich?

Die Berechnungen gingen soweit, dass sogar monetäre Schwellenwerte für bestimmte Schadstoffgruppen bestimmt wurden: „For lead contamination in rivers, they found, pollution peaked and started to fall when national income reached $1,887 per person […]“ (vgl. Raworth, Seite 208). Allerdings hat dieses Modell signifikante Schwächen:

  • Zum einen wurden lediglich lokale Verschmutzungen betrachtet, nicht jedoch globale Umweltverschmutzung und -zerstörung wie z.B. weltweite CO2-Emissionen, Verlust von Artenvielfalt oder Abholzung von Regenwäldern etc. Gerade in einer globalisierten Wirtschaft ist dies jedoch essentiell. Denn die Umweltverschmutzung fällt gerade in industrialisierten Ländern ganz woanders auf dem Erdball statt.
  • Zum anderen handelt es sich bei der beobachteten Kurve um eine Korrelation, jedoch nicht um eine Kausalität. Es ist also mitnichten so, dass wirtschaftliches Wachstum die Ursache für weniger Umweltverschmutzung wäre.

Nichts desto trotz verfestigte sich unter klassischen Ökonomen die Ansicht, dass es sich bei der Analyse von Grossman und Krueger um eine Gesetzmäßigkeit handeln müsse. Ein gefährlicher Trugschluss, denn die Industrie folgt einer degenerativen Ausrichtung und Umweltschutz ist kein Automatismus, keine Gesetzmäßigkeit.

Die degenerative Raupen-Ökonomie

Kate Raworth betont nun, dass Wirtschaftssysteme keine Frage von Gesetzmäßigkeiten seien, sondern eine Frage der Ausgestaltung (Design). Und das Wirtschaftsdesign der Gegenwart ist im Wesentlichen auf Verbrauch ausgelegt. Verbrauch von Ressourcen, Umwelt, Wasser usw. und am Ende entsteht Abfall. Raworth spricht in diesem Zusammenhang von einem degenerativen Wirtschaftsdesign.

Degeneratives Wirtschaftsdesign: Von der Rohstoffgewinnung zur Müllhalde.

Energie und Rohstoffe werden für die Produktion von Produkten, Waren und Dienstleistungen verwendet. Die Produkte werden verwendet und am Ende landen sie auf dem Müll. Abwärme und Abfallstoffe entstehen (z.B. CO2, Sondermüll, Plastikmüll etc.) Dieses Wirtschaftsdesign ist heute noch in vielen Branchen und Bereichen zu finden. Man spricht auch von einem „Cradle-To-Grave“-Modell. 

Ein regeneratives Wirtschaftsmodell als Ziel

Das Wirtschaftsdesign der Zukunft müsse nach regenerativen Aspekten ausgerichtet werden. Kate Raworth bietet hier das Bild eines „Schmetterlings-Designs“ an. Diesem Wirtschaftsdesign liegt das „Cradle-To-Cradle-Prinzip“ zugrunde: Abfallstoffe des einen Produktionsprozesses dienen als Rohstoffe für einen anderen Produktionsprozess. Nach dem Ende der Nutzungszeit sind die Produkte (möglichst) zu 100% recyclingfähig.

Cradle-To-Cradle Wirtschaftsdesign in der Donut-Ökonomie (Schmetterlings-Design)
Cradle-To-Cradle Wirtschaftsdesign in der Donut-Ökonomie (Schmetterlings-Design)

Dieses „Schmetterlingsdesign“ von „Cradle-To-Cradle“  bietet viele Vorteile gegenüber dem „Raupenmodell“ (Cradle-To-Grave):

  • Es werden erneuerbare Energien für die Produktion eingesetzt.
  • Die Produkte und Produktionsprozesse sind kreislauffähig.
  • Es wird verantwortungsvoll mit natürlichen und künstlich hergestellten Ressourcen umgegangen (z.B. Wasserverbrauch)
  • Die soziale Gerechtigkeit ist deutlich höher als in herkömmlichen Prozessen.
  • Insgesamt sinkt der CO2-Fußabdruck und bremst damit auch die Klimaerwärmung.

7. Weg vom permanenten Wachstum

Es geht darum, „eine Wirtschaftsordnung aufzubauen, die das menschliche Wohlergehen fördert, unabhängig davon, ob das Bruttoinlandsprodukt steigt, fällt oder auf einem bestimmten Niveau verharrt.“

Kate Raworth

Ewiges Wachstum – wo führt das hin?

Würde sich das Weltsozialprodukt mit 3% Wachstum jährlich fortsetzen, so würde sich das Volumen von ca. 80 Billionen US-Dollar im Jahr 2015 auf das Dreifache im 2050 erhöht haben. 2100 wäre es schon eine Verzehnfachung auf 800 Billionen US-Dollar und im Jahre 2200 hätten wir die 240-fache Wirtschaftsleistung im Vergleich zu heute! Und das alles ist nicht inflationsbereinigt. Man stelle sich den Druck vor, den eine solche Wirtschaftsleistung auf die Ressourcen unseres Planeten ausüben würden. Wir würden es nicht überleben!

Das Flugzeug, welches niemals landen soll – exponentielles Wirtschaftswachstum hat kein Ende.

Kate Raworth zieht in ihrem TED Talk und ihrem Buch den Vergleich mit einem Flugzeug, welches startet, steigt und niemals landet. Wo würde dieses Flugzeug hingelangen? Diese Frage habe kein klassischer Ökonom jemals zufriedenstellend beantwortet. Entweder, so Raworth, weil sie sich damit nicht beschäftigt hätten, es einfach nicht wüssten oder weil diese Vorstellung sehr unbehaglich sei und daher lieber verschoben und verdrängt werde.


Der ehemalige McKinsey-Partner Frédéric Laloux schreibt zum unendlichen Wachstum um des Wachstums willen in seinem Buch „Reinventing Organizations“:

„(…) in der medizinischen Terminologie würde man das (gemeint ist das Wachstum) einfach als Krebs bezeichnen.“

Frédéric Laloux


Kate Raworth betont, dass Wachstum nicht gleichbedeutend mit Wohlstand sei und schreibt:

„Wir haben eine Wirtschaft, die wachsen muss, unabhängig davon, ob dies unser Wohlergehen fördert oder nicht. Wir brauchen eine Wirtschaft, die unser Wohlergehen fördert, unabhängig davon, ob sie wächst oder nicht.“

Kate Raworth


Das Streben nach Wachstum in gesättigten Volkswirtschaften führe laut Raworth häufig zu einer Deregulierung von Märkten und Gesetzen. Diese Deregulierung fördere dann häufig riskante „Produkte“ in der Finanzbranche und führe zu Spekulationsblasen, steigenden Immobilienpreisen oder Schuldenkrisen. Das Ergebnis sei dann wenig förderlich für das Wohlbefinden der Menschen.


„Diese politischen Aktivitäten erscheinen wie der Versuch aus einem Flugzeug, dem der Treibstoff ausgeht, wertvolle Fracht abzuwerfen, anstatt zuzugeben, dass man so schnell wie möglich landen muss.“

Kate Raworth (S. 324)

Wachstum agnostisch betrachten

Das Kernproblem der Wachstumssucht sei, die Frage „Wie sieht der Ertrag meines Investments aus?“. Diese Frage müsse in einer agnostischen Sichtweise gelöst werden, so Raworth. Eine Idee dafür seien sog. Evergreen Direct Investings (EDI): akzeptable und stabile Erträge aus reifen Unternehmen, die nur noch wenig wachsen. EDI ermöglicht Unternehmen, sich wie ein Baum zu verhalten – das Wachstum als solches endet und die Früchte in Form von fairen Ertragsbeteiligungen werden regelmäßig geerntet.

Entwickelte Volkswirtschaften mit einem agnostischen Wachstumsdesign in der Donut Ökonomie. Wohlergehen auch ohne Wachstum ist möglich.
Entwickelte Volkswirtschaften mit einem agnostischen Wachstumsdesign. Wohlergehen auch ohne Wachstum ist möglich.

Es gebe dabei allerdings ein Problem, welches die Akzeptanz dieser Überlegungen in Frage stelle: Geld ist selbst zur Ware geworden, nutzt sich nicht ab. Damit ist der eigentliche Zweck des Geldes, nämlich Tauschmittel zu sein, in den Hintergrund getreten. Raworth bringt an dieser Stelle die sog. Demurrageals kleine Gebühr für das Halten von Geld ins Gespräch. Das Streben nach Gewinn würde ersetzt werden durch das Streben nach Werterhaltung.
Doch diese agnostische Sichtweise auf das Wirtschaftswachstum werde häufig durch politische und soziale Abhängigkeiten vom Wachstumszwang getrübt.

Politische Abhängigkeiten vom Wirtschaftswachstum reduzieren

Was bewegt Regierungen und Staaten, den Status Quo der „Wachstumsnotwendigkeit“ beizubehalten? Raworth benennt drei wesentliche Punkte:

  1. Die Hoffnung auf steigende Staatseinnahmen ohne SteuererhöhungenWachstum ermöglicht den Staaten, mehr Geld einzunehmen ohne die Steuersätze zu erhöhen. So können die Staaten entsprechende Investitionen in wichtige dem Menschen förderliche Themen vornehmen. Raworth schlägt als Lösungsansatz vor, Steuergerechtigkeit zu schaffen. Diese beinhalte z.B. die Schließung aller Steuerschlupflöcher für Großkonzerne und Superreiche. Alleine durch Steuerschlupflöcher entstehe den Staaten jährlich ein Einnahmeausfall von über 165 Mrd. US-Dollar – genügend, um die Armut dieser Welt bekämpfen zu können.
  2. Angst vor Anstieg der ArbeitslosigkeitProduktivitätssteigerungen in der Fertigung (z.B. durch Automatisierung) haben in der Regel Entlassungen zur Folge. In wachsenden Märkten könnten diese arbeitslosen Menschen jedoch wieder eine Arbeit finden. In stagnierenden Märkten wäre dies fraglich. Das birgt natürlich sozialen Sprengstoff, den die Staaten lieber nicht zünden möchten. Distribuierende und regenerative Ansätze, wie weiter oben beschrieben, könnten hier Abhilfe schaffen.
  3. Der internationale Macht-Maßstab bemesse sich am BIPGlobale geopolitische Macht hätten die Staaten mit dem größten Wachstum, so Raworth. Nur wer kontinuierlich wächst, gehöre zum erlauchten Kreise der G20 und damit zu den einflussreichen Staaten dieser Erde. Neue Indizes könnten jedoch diese Wahrnehmung verändern. Zu den umfassenderen Bewertungsmaßstäben, die auch menschliche Entwicklung mit berücksichtigen, zählen u.a. der Happy Planet Index, der Human Development Index der UN oder der Inclusive Wealth Index.

Soziale Abhängigkeiten verringern

Neben den politischen Abhängigkeiten vom Wachstum gäbe es auch soziale, individuelle Abhängigkeiten. Obwohl es uns heute besser gehe, als so manchem König vergangener Jahrhunderte, befinden wir uns in einer ständigen Konsumphase und vergleichen uns mit dem materiellen Wohlstand in der Peer-Group (z.B. dem Nachbarn). Wir definieren uns häufig über neu erworbene Produkte.
Darüber hinaus (ist) „Wachstum (…) ein Ersatz für Einkommensgleichheit. Solange es Wachstum gibt, gibt es auch Hoffnung, und das macht auch große Einkommensunterschiede erträglich.“ (Henry Wallich, ehemaliger Gouverneur der US-Notenbank)Statt zu konsumieren gäbe es fünf Handlungs- und Verhaltensweisen, die Wohlergehen deutlich besser fördern würden als Wachstum:

  • sich mit Menschen verbinden
  • körperlich aktiv zu sein
  • die Welt wahrnehmen
  • sich neue Fähigkeiten aneignen
  • anderen Menschen etwas geben

Kate Raworth hat die Hoffnung, dass wir uns auf diese Werte besinnen. Das wir alle mit diesem neuen Rüstzeug Ökonomen des 21. Jahrhunderts werden und selbst auch für einen Umbau der bestehenden Wirtschaftsordnung eintreten. Es gibt viele gute Gründe dafür, das aktiv zu tun.

Fazit und Würdigung

Der Ansatz von Kate Raworth ist meines Erachtens nach ein konstruktiver Gegenentwurf zu den veralteten Wirtschaftslehren, die in die aktuelle Klimakrise geführt haben. Die Donut Ökonomie betrachtet Wirkzusammenhänge ganzheitlich und macht Vorschläge zu einer nachhaltigen und wohlstandserhaltenen Wirtschaft. Viele Ideen erscheinen umsetzbar, wenn der politische Wille vorhanden ist, ungeschriebene Dogmen zu hinterfragen. Meines Erachtens nach ist eine Beschäftigung mit solchen Ansätzen alternativlos. Auf jeden Fall bietet Raworth eine gute Gelegenheit, in den Dialog einzutreten und Dinge zu verändern.

FAQ – Fragen und Antworten zur Donut-Ökonomie

Was ist die Donut-Ökonomie?

Die Donut-Ökonomie ist ein neues Wirtschaftsmodell, welches sowohl die UN-Nachhaltigkeitsziele als auch die Folgen wirtschaftlichen Handelns explizit mit einbezieht. Ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftliches Handeln sollen in Einklang gebracht werden. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworth hat den Begriff geprägt und ein Buch über das System geschrieben.

Was steht im Zentrum der Donut-Ökonomie?

Im Zentrum der Donut-Ökonomie steht das Gedeihen der Menschheit. Dabei ist Nachhaltigkeit ein entscheidendes Kriterium. Wirtschaftliches Handeln soll das Gedeihen der Menschheit unterstützen.
Ein Donut symbolisiert die planetarischen Obergrenzen für Ressourcen und die sozialen Untergrenzen, die notwendig sind, um ein sozial gerechtes Leben führen zu können. Innerhalb dieses Rings kann gedeihliches Leben möglich sein.
Der Donut der Donut Ökonomie

Worin unterscheidet sich die Donut-Ökonomie von klassischen Wirtschaftsmodellen und -theorien?

Klassische Wirtschaftstheorien stellen das Wirtschaftswachstum in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Nur wenn die Wirtschaft dauerhaft wachsen würde, wäre dies auch der Menschheit dienlich. Die Donut-Ökonomie sieht das anders und der Mittelpunkt das Gedeihen der Menschheit. Unendliches ökonomisches Wachstum führe letztlich zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen und ist daher kein Ziel oder Selbstzweck.
Kate Raworth zeichnet in der Donut Ökonomie insgesamt sieben Felder, die sich von der klassischen Wirtschaftstheorie unterscheiden.

Jeder kann das Klima schützen – viele Tipps für ein nachhaltiges Leben.

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