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Kate Raworth: Die Donut-Ökonomie (Zusammenfassung)

3. Der soziale Mensch in der Donut Ökonomie statt Homo Oeconomicus

Die klassischen Wirtschaftsmodelle haben ein sehr rationales Menschenbild geprägt: Den Homo Oeconomicus. Dieses Menschenbild sei, so Kate Raworth, jedoch für die Erklärungen der Zukunft unzureichend. Sie entwickelt daher das Menschenbild von „sozial anpassungsfähigen Menschen“, welches sie dem Homo Oeconomicus als Entwurf gegenüberstellt und der wirtschaftliches und soziales Handeln kombiniert. Das entspräche einem deutlich menschenfreundlicheren Wirtschaftsmodell und wäre dadurch realitätsnäher.

Der Homo Oeconomicus der Volkswirtschaftslehre

Im Zentrum der Volkswirtschaftslehre steht der Homo Oeconomicus. Dieses Menschenbild orientiert sich auf wenige, für die Wirtschaft bedeutsame, Eigenschaften. Nahezu „gottgleich“ wird dem Menschen eine perfekte Voraussicht bei perfektem Wissen und Informiertheit unterstellt. Der Homo Oeconomicus ist ein Nutzenmaximierer mit festen Präferenzen. Mit diesen Eigenschaften ausgerüstet, entscheiden wir Menschen dann zu 100% rational, welche Kauf- und Investitionsentscheidungen wir vornehmen. Diese doch eingeschränkte Darstellung der menschlichen Existenz mache unterschwellig „einen Bürger / eine Bürgerin“ zum „Konsumenten“, der Waren nach seinen (fixen) Präferenzen einkauft. Die weiteren Facetten des Menschseins werden modellhaft ausgeblendet (oder böse gesagt: ignoriert).

Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen einer Vielzahl von kognitiven Verzerrungen ausgesetzt sind und rationale Entscheidungen eher Wunschdenken als Realität sind.

„Die moderne Hirnforschung belegt: Gefühle sind bei jeder Entscheidung ein zentraler Faktor. Der Verstand bereitet die Entscheidungen zwar vor, doch ohne Gefühle kann man sie nicht treffen.“

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Dieser Homo Oeconomicus sei also für eine komplexe Realität nicht ausreichend, um das Handeln in der Wirtschaft zu erklären. Daher entwirft Kate Raworth ein anderes Menschenbild für die Donut-Ökonomie.

Sozial anpassungsfähige Menschen in der Donut-Ökonomie

Kate Raworth stellt dem Homo Oeconomicus ein realitätsnäheres Menschenbild gegenüber: Das Bild des sozial anpassungsfähigen Menschen. Raworth betont folgende fünf Eigenschaften, die einen relevanten Einfluss auf das Verhalten in einer Ökonomie haben:

  • Soziale Gegenseitigkeit: Menschen handeln kooperativ und auf Gegenseitigkeit beruhend: „Wie du mir, so ich dir“. Das geschieht oft unentgeltlich und mit emotionalen Bindungen versehen. Das beinhaltet auch, dass sozial unerwünschtes Verhalten bestraft wird, selbst wenn die Bestrafung mit zusätzlichen Gemeinkosten versehen ist. Man sich also selbst auch für Fehlverhalten anderer bestraft.
  • Fließende Werte statt fester Präferenzen: Kate Raworth bezieht sich auf Studien zu den Motiven und Wertegerüsten von Menschen. Shalom Schwartz hat z.B. zehn Basis-Werte über die verschiedenen Kulturen identifiziert, die in unterschiedlichen Wirkstärken permanent im Wechsel zusammenarbeiten. Diese Wertekombinationen haben einen großen Einfluss auf unsere wirtschaftlichen Entscheidungen.
  • Interdependenz mit anderen: Wir treffen unsere Konsumentscheidungen nicht isoliert. Die Entscheidungen sind vielmehr in einen sozialen Kontext eingebunden und werden durch diesen maßgeblich beeinflusst. Unser soziales Netzwerk entscheidet stärker über einen Kauf als der beispielsweise der Preis oder die objektiven Produkteigenschaften.
  • Annähernd statt berechnend vorgehen: In der Realität berechnen wir mitnichten die jeweils besten Möglichkeiten für uns mit mathematischen Verfahren. Es gibt zahlreiche kognitive Verzerrungen, die eine rationale Entscheidung nahezu unmöglich machen. An diese Stelle treten die Alltagsheuristiken und „Daumen-Regeln.“
  • Wir sind abhängig von der Erde und nicht dominierend: Das vorherrschende Menschenbild sieht die Erde als den Untertan des Menschen. Das prägt die aktuellen und vergangenen Verhaltensweisen (Rohstoffgewinnung, Umweltverschmutzung etc.). Doch in der Realität leben wir mit der Natur und der Biosphäre. Das hat Folgen für unseren Umgang mit unserer Um- und Mitwelt.

4. Dynamische Systeme statt statischer Gleichgewichte

Die Volkswirtschaftslehre der Vergangenheit arbeitet mit Modellen und Systemen, die sich selbst „wissenschaftlich“ nennen. Nicht umsonst heißt es ja auch „Wirtschaftswissenschaften“. Aus diesem Selbstverständnis heraus wird den Modellen mitunter eine physikalische Gesetzmäßigkeit unterstellt, wie man sie sonst nur den Naturgesetzen zugesteht: „Wenn A passiert, wirkt sich das mit x auf B aus.“

Leider verhält es sich in der Realität nicht so physikalisch genau. Viele Ereignisse der Vergangenheit haben gezeigt, dass Folgen wirtschaftlichen Handelns zu komplex sind, als das man sich auf einfache Erklärungsmodelle verlassen könnte. Große Wirtschaftskrisen wie z.B. 2008 die Immobilienblase zeigen den einfachen Kurvenmodellen die Grenzen auf. Genauso wie langfristige Effekte wie der Klimawandel.

Das klassische Modell von Nachfrage und Angebot

Die Volkswirtschaftslehre nutzt als Basissystem das Modell von Angebot und Nachfrage und einem sich daraus bildenden Gleichgewicht: Zu einem bestimmten Preis wird eine bestimme Menge nachgefragt. Auf der anderen Seite sind Unternehmen bereit, zu einem bestimmten Preis eine bestimmte Menge der Ware zu produzieren. Da wo sich die beiden Kurven schneiden, bilden Nachfrage und Angebot ein Gleichgewicht. Gerät das System in Ungleichgewicht, werden sich die Kurven durch Anpassungen der produzierten und nachgefragten Mengen über den Preis wieder ins Gleichgewicht bringen. Das klingt verlockend simpel und überzeugend.

Angebot und Nachfrage Kurve
Die klassische Kurve von Angebot und Nachfrage in einem mechanischen Gleichgewicht.

Leider hat das System mit seinem mechanischen Gleichgewicht einen großen Nachteil: Die Realität und die Einflussfaktoren in der Realität sind viel zu komplex, als das ein einfaches Diagramm mit zwei Kurven und einer Preisvariable diese Realität erklären oder gar vorhersagen könnte.

Dynamische Feedback-Schleifen als neues Modell

In der Erklärung komplexer Sachverhalte haben sich dynamische Feedback-Schleifen mit verstärkenden und ausgleichenden Faktoren besser bewährt. Erklärt sei dies kurz am Beispiel der unten stehenden Abbildung. Je mehr Eier es gibt, desto mehr Hühner gibt es und umgekehrt – ein Beispiel für ein sich verstärkendes Feedbacksystem. Auf der anderen Seite kann es auch ausgleichende Feedbacksysteme geben: Je mehr Hühner es gibt, desto mehr Hühner werden die Straße überqueren. Je mehr Hühner die Straße überqueren, desto weniger Hühner wird es geben. Komplexe Öko- und Klimasysteme können mit solchen dynamischen Feedback-Schleifen dargestellt werden. Aus diesen Feedback-Schleifen lassen sich verstärkende und ausgleichende Effekte erkennen.

Dynamische Feedback-Schleifen als Element der Donut Ökonomie
Dynamische Feedback-Schleifen erklären komplexe Modelle. V steht für „verstärkend“ und A für „ausgleichend“

5. Verteilung statt Ausgleich durch Wachstum

In der Volkswirtschaftslehre wird häufig die Ansicht vertreten, dass mit steigendem Einkommen der Volkswirtschaft als Ganzes auch die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft wieder absinkt (nachdem sie zunächst einmal angestiegen ist). Der vielzitierte Spruch „No Pain, no gain“ symbolisiert diese Ansicht, die vom Ökonomen Simon Kuznets in ein geradezu „ikonisches Diagramm“ (K. Raworth) gebracht wurde. Doch stellt sich die Frage, ob diese Annahmen richtig sind und ob sie überhaupt noch Gültigkeit haben (können)?

Die Kuznets-Kurve – Gerechtigkeit durch Wachstum?

Kuznets erstellte sein vielzitiertes Diagramm eines umgekehrten Us in den 1950er Jahren auf Basis von Beobachtungen in drei Ökonomien (USA, Deutschland, Großbritannien). Aus Daten der vorvergangenen Jahrzehnte stellte Kuznets fest, dass die Ungleichverteilung des Wohlstandes mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen zunächst stiege um dann – wie bei einer Achterbahnfahrt – wieder abzunehmen.

In der Folge wurde dieses Kuznets-Diagramm als fast schon naturgesetzmäßige Gegebenheit für viele wirtschaftspolitische Entscheidungen weltweit genutzt.

Die Kuznets-Kurve zum Ungleichgewicht – „No pain, no gain“?

Wachstum bedeutet nicht mehr Gerechtigkeit

Doch wie verhält es sich eigentlich in der Realität mit dieser Kuznets-Annahme? Führt Wachstum und steigendes Pro-Kopf-Einkommen auch wirklich zu weniger Ungleichheit? Kate Raworth malt ein ernüchterndes Bild in dieser Hinsicht. Kapital- und Landbesitz entkoppeln sich immer stärker vom Wachstum der Arbeitslöhne. Wer nur seine Arbeitskraft anzubieten hat, wird die Ungleichheit zu den Land- und Kapitalbesitzern nicht ausgleichen können. Diese Ungleichheit könnte noch dadurch verstärkt werden, dass auch neue Ressourcen wie patentiertes geistiges Eigentum oder „Roboterproduktivität“ in den Händen weniger Unternehmen liegen.

Netzwerk-Systeme fördern gerechtere Verteilungen

Eine Lösung könnte die Stärkung von dezentralen Netzwerken sein. Dies können beispielsweise Nachbarschaftshilfen oder Genossenschaften sein. Auch digitale Netzwerke wie z.B. die Open Source Bewegung zählen dazu. Die Leistungserbringung wird in diesen Netzwerken oft dezentral erbracht und neben dem wirtschaftlichen Interesse werden auch die anderen menschlichen Bedürfnisse nach sozialer Nähe und Eigenverantwortung bedient. Auf diese Weise werden die Erträge der Arbeit innerhalb der Netzwerke gerechter verteilt und die Teilhabe jedes Einzelnen steigt.

Verteilungsgerechtigkeit durch Netzwerke in der Donut-Ökonomie
Verteilungsgerechtigkeit durch Netzwerke in der Donut-Ökonomie
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